Ein Meister auf Entzug

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Ayara Kotum
Padawan
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Ein Meister auf Entzug

Beitrag von Ayara Kotum »

Leichenblass, als wäre er dem Tod höchstpersönlich begegnet, saß Jedi-Meister Jolee Bindu auf der Kante seines Bettes. Es war noch nicht viel Zeit vergangen, seit seinem letzten Versuch eine Padawan zu erziehen. Hätte er gewusst, wozu besagte Padawan fähig war, hätte er es gelassen. Ayara hatte nämlich den Spieß umgedreht und war ihrerseits dazu übergegangen, ihrem Lieblingsjedi solche Flausen auszutreiben.
Und so kam es, dass Meister Bindu auf Entzug war. Nicht etwa Alkohol oder Kaffeeentzug, nein, das wäre ja noch zu verkraften gewesen, denn der Meister, auf alle Eventualitäten vorbereitet, hatte immer einen Geheimvorrat an Whiskey in seinem Gehstock versteckt. Ayara hatte das schlimmste getan, was man mit Jolee Bindu machen konnte: ihn auf Knuddelentzug gesetzt.

Zu Anfang hatte der Meister gelacht und sich gedacht, dass ihm ja neben Ayara noch Meisterin Jaime Skywalker als Knuddelobjekt zur Verfügung stand. Doch dieses Lachen war ihm bald vergangen, als er gemerkt hatte, dass sich Meisterin Skywalker zusammen mit ihren Padawan kurz nach Ayaras Androhung auf Mission geschickt worden war. Diese neue Wendung der Dinge hatte ihn eine tiefe Depression gestürzt, hatte sie ihm doch auch die Möglichkeit zum Flehen und Betteln genommen. Nun saß er da, ein Häuflein Elend, auf seinem Bett und wünschte sich aus tiefstem Herzen jemanden zum Knuddeln.
Plötzlich hellte sich sein Gesichtsausdruck leicht auf und er sah nun nicht mehr ganz so aus, als würde er in den nächsten Minuten Mace Windu spielen und sich aus dem Fenster stürzen wollen. „Jolee, du alter Narr, wozu hast du Padawan?“, sagte er sich selbst und schämte sich gleichzeitig, dass er nicht eher auf die Idee gekommen war. Vielleicht vernachlässigte er sie in letzter Zeit etwas. Er konnte sich nicht mal genau an ihre Namen erinnern. Naja, wozu hatte er sie auch durchnummeriert? So machte er sich voller Hoffnung und Freude auf zu seiner Padawan Nr.1. Doch auf dem Weg zu ihrem Quartier fiel ihm wieder ein, dass es da einen Haken an der Sache gab. Nr.1 war vor kurzem umgezogen. Jetzt musste Meister Bindu doch tatsächlich 452 Stufen der Tempeltreppe emporklettern, bis er zu ihr kam. 452 Stufen trennten ihn von seiner Knuddeleinheit. Und fürs Treppensteigen fühlte sich der Meister einfach zu alt. Schon der Gedanke daran ließ seine alten Knie schlottern, seine morschen Knochen knacken und seine eingerosteten Gelenke quietschen. Natürlich gab es im Tempel auch Repulsorlifte, doch technische Neuerungen gehen an alten Leuten ja bekanntlich vorbei. Meister Bindu war sein ganzes Leben lang Treppen gestiegen und wenn er es im Alter nicht mehr konnte, so war das wohl der Wille der Macht. Und auch wenn der Wille der Macht hier dazu beitrug, ihm Knuddler vorzuenthalten, folgte der weise Jedi-Meister ihm stehts.

Nr.1 blieb also unerreichbar und während Meister Bindu sehnsüchtig die Treppe hochstarrte, war er glücklich, dass er zwei Padawan hatte. Nun musste er sich halt mit Nr.2 trösten. Der war ihm wenigstens nicht untreu geworden und wohnte immer noch brav gleich um die Ecke, kaum 30 Schritte entfernt. Beflügelt von der Aussicht, bald wieder knuddeln zu können, verdoppelte sich das ‚Klack‘ ‚Klack‘ seines Gehstocks fast, während er durch die Gänge hastete. Sein Blickfeld glich einem Tunnel, an dessen Ausgang die Zimmertür von Nr.2 lag. Schnurstracks ging er darauf zu und stieß die Tür einfach auf. Ein erschrockener Alec blickte vom Boden auf, vor sich ein Sammelsurium von Lichtschwertbauteilen. „Meister?“, fragte er erstaunt. Es war unüblich, dass dieser so einfach in sein Zimmer platzte. „Brauche Knuddels“, gab dieser nur zu bereitwillig Auskunft. Er war nun seit einer Stunde auf Entzug und wusste nicht mehr viel mit sich anzufangen. Ohne Knuddler blieb vom Jedi-Meister Jolee Bindu kaum etwas übrig. Alec, der die Phasen seines Meisters nur zu gut kannte, ließ sofort alles stehen und liegen und kam mit ausgebreiteten Armen auf seinen Meister zugeflogen. Er wusste, in so einer Situation war höchste Eile geboten, denn sonst konnte niemand für nichts garantieren. Doch schon bald bereute er es, denn er steckte hoffnungslos in den Meisterarmen fest. Meister Bindu hielt seine arme, gebeutelte Nr.2 mehr im Schwitzkasten, als dass er sie knuddelte. „Meister, Meister, lasst mich los“, würgte Alec hervor, als er ausnahmsweise mal kurz Luft bekam.

Aber das hörte der Jedi-Meister nicht. Er war selig, endlich wieder knuddeln zu können. Er wiegte sich und sein Opfer leicht auf der Stelle und summte dabei ein Schlaflied vor sich hin. Erst in letzter Sekunde, kurz bevor der Sauerstoffmangel ihn ohnmächtig werden ließ, gelang es Alec, sich mit einem beherzten Schlag in die Rippen des Meisters zu befreien. Etwas knirschte bedrohlich und Alec lag nach Luft schnappend auf dem Boden, während Meister Bindu ein lautes Zischen ausstieß und in herzzerreißendes Gewimmer ausbrach. Doch nicht nur, weil seine Rippe zumindest angeknackst war. „Keiner will mit mir knuddeln, keiner hat mich lieb“, jammerte er und zog von dannen. Ein völlig verwirrter Alec blieb zurück.

Mit einem Gesichtsausdruck, als würde er zu seiner eigenen Hinrichtung gehen, schlurfte Meister Bindu durch den Tempel. Die Schultern hingen herunter, tief gebückt war er auf seinen Stock gestützt und wirkte nur noch älter. Mittlerweile war er soweit, dass er jeden Jedi, der vorbeikam, um Knuddeln bat. Meister Skyscout, der gerade mit einer Horde Jünglinge unterwegs war, blickte ihm entsetzt hinterher, als er einem der Jünglinge „Knuddeln?“ zuflüsterte. Aber nicht einmal die Jünglinge schienen den armen alten Jedi-Meister zu mögen und beeilten sich, Meister Skyscout zu folgen, der nun ein paar Schritte schneller ging.

Einsam, deprimiert und ungeknuddelt kehrte Meister Bindu in sein Quartier zurück, wo er sich wieder aufs Bett setzte und die Wand anstarrte. „Ich will doch nur knuddeln. Warum mag denn keiner knuddeln?“, schniefte er vor sich hin.
Dann klopfte es plötzlich, die Tür ging kurz auf, etwas fiel in den Raum und blitzschnell schloss sich die Tür wieder. Alec hatte Mitleid mit seinem Meister bekommen. Da er sich aber nach dem letzten Vorfall nicht mehr traute, in dessen Nähe zu kommen, hatte er für seinen Meister einen Teddybären besorgt und ihn so überbracht.
Anfangs wusste Meister Bindu diese Geste zu würdigen. Tränen der Rührung traten in seine Augen, während er den Teddy fest an seine Brust drückte. Schon bald jedoch merkte er, dass ein Teddy kein adäquater Ersatz für ihn war. Wütend und enttäuscht warf er ihn gegen die Wand, von der der arme Teddy lautlos zu Boden glitt und achtlos liegengelassen wurde.
Diesmal saß Meister Bindu nicht lange auf seiner Bettkante. Halb im Wahn mit den ersten ernsteren Entzugserscheinungen wie Zittern, ständiges Schniefen und tränende Augen, kam ihm die rettende Idee. Sogleich machte er sich auf in seine Werkstatt und fing an, den Plan in die Tat umzusetzen.

Als Ayara zusammen mit ihrer Meisterin und ihrer Mitpada in den Tempel zurückkehrte, traute sie ihren Augen nicht. Auch Meisterin Skywalker und Tyla standen nur mit offenem Mund da und starrten auf das, was sie in der Eingangshalle sahen. Irgendwann konnte Ayara nicht mehr an sich halten und prustete los.
Mitten in der Eingangshalle des Jedi-Tempels, einem Ort der Ruhe und Besinnlichkeit, stand Jedi-Meister Jolee Bindu. Er wirkte, als hätte er tagelang nicht geschlafen und der Drei-Tage-Bart ließ ihn noch älter aussehen. In der Hand hielt er ein großes Plakat mit der weithin sichtbaren Aufschrift: „Free Hugs“ (zu Deutsch: „Umarmungen gratis“).

Zufrieden grinste Ayara, die Strafe hatte gewirkt. Doch nun tat ihr der alte Meister leid. Ungeachtet der grotesken Situation, stürmte sie auf ihn zu und fiel ihm in die Arme. Denn obgleich sie das Gegenteil behauptet hatte, hatte sie ihn auch sehr vermisst.
"Die Jedi sind keine Sekte, Anakin. Wir werden von Mitgefühl und von dem Glauben geleitet, dass die Macht größer ist, als die Summe jener, die sich ihr öffnen."
-Obi-Wan Kenobi-

Padawan von Jaime Skywalker
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